Der große Schauspieler Elmar Wepper ist gestorben. Er arbeitete viel, spielte auch in manch trivialer Fernsehproduktion mit, doch immer sah man ihn gerne. Ein Nachruf
Von Christoph Schröder
Ganzsicher war Elmar Wepper ein unterschätzter Schauspieler. Das lagselbstverständlich zum einen an den Rollen, die er im bundesrepublikanischenSpielfilm- und Serienkarussell allzu oft und vollkommen souverän spielte. Eshatte zum anderen aber auch mit seiner Herkunft und mit seinem weichanklingenden bayerischen Dialekt zu tun; ein Zungenschlag, der automatischeinen von Klischees besetzten Assoziationsraum aufruft, in dem Begriffe wieGemütlichkeit, Bodenständigkeit und Bierseligkeit herumschwirren. Umsoerstaunlicher, dass Elmar Wepper seit 1979, seit dem ersten Mad-Max-Film, diedeutsche Synchronstimme von Mel Gibson war, dessen Diktion und Image derVorstellung von Heimeligkeit nun wirklich fern stehen.
Elmar Wepper wurde 1944 in Augsburg geboren und wuchs vaterlos auf. In einemInterview mit dem ZEITmagazin im Jahr 2008 erzählte Wepper, wie er, seineMutter und sein älterer Bruder Fritz bis in die 1950er-Jahre hinein vor demFernseher saßen, in dem die Namenslisten der soldatischen Kriegsheimkehrer alsLaufschrift über den Bildschirm liefen. Der Name des Vaters war allerdings niedabei. Fritz, der drei Jahre ältere Bruder, wurde zu einer prägenden Figur fürElmar Wepper. Seinen ursprünglichen Plan, Medizin zu studieren, änderte Wepper nach Ableistungseines Bundeswehrdienstes; er begann stattdessen ein Studium der Germanistikund Theaterwissenschaften. Zur Schauspielerei kam er dann tatsächlich durch denälteren Bruder: "Der Fritz hat mich auf dem Gewissen", ist ein Satz, mit demElmar Wepper oft zitiert wurde. Er meinte ihn nicht böse, obwohl er zugab, dassSelbstzweifel und Ängste seine Karriere stets begleitet haben. Er liebe seinen Beruf,so sagte es Elmar Wepper, aber dieser sei nicht sein Leben.
WährendFritz Wepper schon als Schüler vor der Kamera stand, begann Elmar Wepper seineLaufbahn in kleinen Synchronsprecherrollen, beispielsweise für die Fernsehserie Fury. Das "Hoppla, hier komme ich"-Gefühl, das bajuwarische Selbstbewusstsein,das Zupackende, wurde innerhalb der Wepper-Brüderkonstellation stets an denÄlteren delegiert. Bildlich gesprochen: Fritz Wepper stand die schwarzeGlattlederjacke gut zu Gesicht, währen Elmar Wepper im beigen Wildlederblousonbesser aufgehoben zu sein schien.
Denersten Auftritt vor der Kamera hatte Elmar Wepper dann 1957 tatsächlich an derSeite seines Bruders in der Komödie Heute blau, morgen blau. DieWepper-Brüder spielten darin, man ahnt es, Brüder. Die Karriere der beidenWeppers blieb noch bis in die 1970er-Jahre eng verbunden: Seinen Durchbruch alsFernsehschauspieler feierte Elmar Wepper im Jahr 1974 in der Krimiserie DerKommissar, in der Elmar Wepper die Rolle des Assistenten des legendären ErikOde von seinem Bruder Fritz übernahm, der ab diesem Zeitpunkt alsStichwortgeber und Chauffeur von Stephan Derrick fungierte.
Einschauspielerisches Vorbild, so Elmar Wepper, habe er nie gehabt; sein Mentoraber war der Volksschauspieler Walter Sedlmayr, der Elmar Wepper, wie er selbstes ausdrückte, gelehrt habe, den Beruf nicht immer ganz ernst zu nehmen. VomTypus des bayerischen Urviechs, den Sedlmayr verkörperte, war Elmar Wepperohnehin weit entfernt. Selbst in trivialen Produktionen wirkte er aufnachdenkliche Weise elegant und strahlte eine hintergründige Ironie aus, dieseine Rolle niemals ins Lächerliche zog.
Sein Spiel besaß eine Doppelbödigkeit
Das Paradebeispiel für WeppersDoppelbödigkeit ist die Serie Zwei Münchener in Hamburg, in der Wepperzunächst als finsterer kapitalistischer Gegenpart der unkonventionellen undökologisch orientierten Bankchefin Uschi Glas angelegt war. Dass die beiden inder Serie ein Paar werden würden, lag in der Zentrallogik deutscherFernsehserien, doch es war Elmar Weppers Verdienst, dass selbst diese anNord-Süd- wie Mann-Frau-Stereotypen reich bestückte Serie ihre guten Momentehatte – auch weil das Casting Elmar Wepper als Serienbruder-Leichtfuß denSchauspieler Wolfgang Fierek zur Seite gestellt hatte. Jenen Wolfgang Fierek,der unlängst im Münchener Tatort einen doch ziemlich grandiosen Auftritt alsschmieriger Provinzgrabscher mit Machtbefugnis über Landwirtschaftsköniginnenhatte. Eine Rolle, die Elmar Wepper niemals hätte ausfüllen können. Sie hätteihm nicht gestanden. In der Serie Zwei Brüder, ausgestrahlt von 1994 bis2001, unternahmen die Wepper-Brüder einen durchaus ironisch gemeintenRollentausch: Fritz, der Ältere, spielte den seriösen Staatsanwalt, Elmar denruppigen Polizeikommissar.
Überfünf Jahrzehnte hinweg war Elmar Wepper auf den deutschen Bildschirmen präsent.Er war Teil des deutschsprachigen Schauspielerensembles, das durch zahlreiche Episodenvon Der Alte, Traumschiff oder Tatort hindurch immer wiederauftauchte. Er spielte in Komödien, Spielfilmen und Kurzserien wiebeispielsweise der 1986 ausgestrahlten, liebevoll ausgestatteten bayerischenLandhippie-Produktion Irgendwie und sowieso an der Seite von Ottfried Fischerund Olivia Pascal.
Generell gilt: Immer, wenn Elmar Wepper zu sehen war, sahman ihn gerne. Er hatte Charme und Charisma. Selbst als ein Traumschiff-Drehbuch im Jahr 2002 auf die etwas hanebüchene Idee kam, dasssich eine knapp 20-jährige junge Frau so ein bisschen in den knapp 60-jährigenWepper verguckt (der sich schließlich als der bis dahin unbekannte Vater derjungen Frau herausstellt), war das nicht komplett unrealistisch. Mit derSchauspielerin Michaela May, die in besagter Traumschiff-Episode seinegeschiedene Ehefrau spielte, engagierte sich Elmar Wepper als Schirmherr einesVereins, der vereinsamte ältere Menschen während der Coronapandemie betreute.
Seinenletzten großen Erfolg hatte Elmar Wepper in Doris Dörries 2008 erschienenemFilm Kirschblüten – Hanami und in der 2019 gedrehten Fortsetzung. Für Kirschblüten – Hanami wurde Wepper mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet, völlig zu Recht. In dem Film spielt Wepper einen todkranken Mann, dessenFrau überraschend vor ihm stirbt und der deren Träumen hinterherreist, indem erin Japan den Butoh-Ausdruckstanz lernt. Wenn man Elmar Wepper dabei zuschaut,wie er gemeinsam mit einer jungen Japanerin seinem eigenen Schatten beim Tanzenzuschaut, wie er dem Schatten seiner verstorbenen Frau hinterhertanzt, dann hatdas nichts Selbstparodistisches und schon gar nichts Lächerliches, selbst dannnicht, wenn herauskommt, dass er unter seinem langen Mantel die Kleidung seinerFrau trägt.
Elmar Wepper, der 2004 seine langjährige Lebensgefährtin Anita Schlierf heiratete,hat nie etwas auf große Auftritte und Prominenz gegeben. Sein Großvater warMünchener Ehrenbürger; seine Familie, erzählte er im Interview, habe amMünchener Winthirfriedhof ein Ehrengrab – "Ich weiß aber nicht, ob ich dareingehe." Zu schattig sei es ihm dort. Er würde einen Platz an der Sonnebevorzugen. Und was auf seinem Grabstein stehen solle? "Nur 'Elmar Wepper,geboren 1944.' Sonst nix. Aus."
Elmar Wepper ist am 31. Oktober imAlter von 79 Jahren gestorben.